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ZFF 2020: Diese Filme lohnt es sich zu sehen

30.09.2020
von Lars Meier

Zurzeit findet das 16. Zurich Film Festival (ZFF) statt. «Fokus» hat sich einige Filme angesehen und weiss, welche empfehlenswert sind.

Never Rarely Sometimes Always von Eliza Hittman

Eine Jugendliche wird ungeplant schwanger und muss sich mit einer völlig ungewohnten Situation auseinandersetzen. Was «Juno» 2008 einen Oscar für das beste Originaldrehbuch und drei weitere Nominierungen einbrachte, wird in «Never Rarely Sometimes Always» neu inszeniert. Der Film folgt der 17-jährigen Autumn, die mit ihrer Familie in Pennsylvania im Nordosten der USA lebt. Als sie ungeplant schwanger wird, stellt dies ihr ganzes Leben auf den Kopf. Da sie für eine Abtreibung die Bestätigung ihrer Eltern benötigen würde, macht sie sich mit ihrer Cousine auf den Weg nach New York. Dort will sie den Eingriff vornehmen. Doch die Behandlung verzögert sich, und was zunächst als eintägige Reise geplant war, verlängert sich auf mehrere Tage. Ohne Geldreserven oder eine Unterkunft müssen sich die beiden Frauen durch New York schlagen.

Fazit:

«Never Rarely Sometimes Always» überzeugt besonders mit dem Können der jungen Hauptdarstellerin Sidney Flanigan. Sie spielt die Rolle der Autumn mit bemerkenswerter Authentizität. Ein weiterer Pluspunkt ist das Drehbuch, welches Interpretationsspielraum bezüglich eines wichtigen Details offenlässt und so zu Diskussionen anregt. Was dem Film fehlt, sind signifikante Überraschungsmomente; die Handlung bleibt zudem relativ vorhersehbar.

The Assistant von Kitty Green

Ein Tag, ein Ort, ein offenes Geheimnis – und eine Begegnung, welche die Zuschauer mit offenem Mund zurücklässt. «The Assistant» von Kitty Green ist für einen Film sehr schlicht gehalten. Er folgt einem Tag von Jane, die bei einem einflussreichen Filmproduzenten als Assistentin arbeitet. Ein weiterer Tag, an dem die junge Frau zahlreiche Ungereimtheiten in ihrem Unternehmen beobachtet. Ungereimtheiten, die sich für den Zuschauer zu einem unheimlichen Bild verdichten. Wie der Tag für Jane ausgeht, sei an dieser Stelle noch nicht verraten. Nur so viel: Es ist ein Tag, an dem die junge Frau eine Entscheidung trifft, über die sie später noch lange nachdenken wird…

Fazit:

«The Assistant» beweist, dass ein Film keine grossen Effekte benötigt, um einen bleibenden Eindruck beim Publikum zu hinterlassen. Der Film zeigt auf, wieso Betroffene bei Missständen dieser Art schweigen, obwohl das Gegenteil der Fall sein sollte – und hilft nicht zuletzt auch, die komplexen Hintergründe der MeToo-Bewegung zu verstehen.

Gagarine von Fanny Liatard & Jérémy Trouilh

Der 16-jährige Yuri lebt in den Gagarine-Türmen in der Banlieue von Paris. Der Grossraumkomplex, der einen sozialen Brennpunkt aus dem Bilderbuch darstellt, steht in extremen Kontrast zu Yuris grossem Traum: Astronaut werden und endlich diesen Ort zu verlassen. Doch der Plan der Verwaltung, den Komplex abzureissen, führt dann zu einer Verkettung schicksalhafter Ereignisse. Träumerei und Realität gehen ineinander über und lösen sich gegenseitig ab. Wird Yuris grösster Traum doch noch wahr?

Fazit:

«Gagarine» vermag es nicht nur, einzigartige postmoderne Zitate zu setzen – wie etwa auf Juri Gagarin, den ersten Menschen im Weltraum – sondern besticht auch mit grösstmöglicher Authentizität. Der Film entführt den Zuschauer in eine einzigartige Welt, die einerseits zwar die harte Realität widerspiegelt, aber auch zum Träumen einlädt. Spannend bis zur letzten Minute!

The Mole Agent (OT: El agente topo) von Maite Alberdi

Im Gegensatz zu den anderen drei Filmen handelt es sich bei «The Mole Agent» um eine Dokumentation – hört sich vielleicht zunächst eher unspektakulär an, doch das Gegenteil ist der Fall. Zu Beginn des Films steht ein Zeitungsinserat im Vordergrund. Privatdetektiv Rómulo hat ein ganz besonderes Anliegen: Er sucht einen älteren Herrn, der sich in ein Altersheim in Chile einschleust, um dort dann die Mutter seiner Klientin zu observieren. Diese ist nämlich der Überzeugung, dass ihre Mutter in diesem Altersheim nicht gut versorgt wird. Der 83-jährige Witwer Sergio meldet sich auf die ungewöhnliche Stellenbeschreibung und erhält den Auftrag prompt. Kurzerhand findet er sich als Undercover-Bewohner in besagtem Altersheim wieder – ausgerüstet mit Notizblock, Smartphone und versteckten Kameras in Brille und Kugelschreiber. Was er wohl herausfinden wird?

Fazit:

«The Mole Agent» bringt einen zum Lachen, punktet mit herzerwärmenden Augenblicken und lädt ein, eine vielen unbekannte Welt zu entdecken: den Alltag in einem Altersheim. Man schliesst die Figuren sofort ins Herz, fühlt mit ihnen mit und möchte ihnen am liebsten ihre Wünsche erfüllen, die sie schon so lange hegen. Ein richtiger Wohlfühlfilm!

I am Greta von Nathan Grossman

Die Dokumentation von Nathan Grossman begleitet Klima-Aktivistin Greta Thunberg vom ersten Tag ihres Streiks in Stockholm bis zu ihrer Rede vor den Vereinten Nationen in New York. Dabei steht nicht nur der Klima-Aktivismus, sondern auch Gretas Privatleben im Vordergrund. Somit ist «I am Greta» ein tiefgründiges Porträt über einen der einflussreichsten Teenager unserer Zeit.

Fazit:

Obwohl Greta Thunberg seit geraumer Zeit eine enorm hohe Medienpräsenz geniesst, vermag der Film dennoch Einblicke zu geben, die bisher unbekannt waren. Dazu gehört neben Szenen an Gretas Schule und ein kurzes Gespräch mit Emmanuel Macron auch die beschwerliche Reise über den Atlantik bis nach New York. Wer bisher glaubte, alles über Greta Thunberg zu wissen, wird mit diesem Film definitiv eines Besseren belehrt, was diesen Film mehr als empfehlenswert macht.

Exil von Visar Morina

Eine tote Ratte, die am Gartentor hängt, bringt das Leben des nach Deutschland immigrierten Kosovaren Xhafer ins Wanken. Seit Jahren führt er mit seiner Frau und den drei Kindern ein unauffälliges Leben in der Vorstadt. Als sich auch auf der Arbeit in seinen Augen Intrigen gegen ihn bilden, ist es mit der Ruhe aber endgültig vorbei. Getrieben von dem gemischten Gefühl aus Ohnmacht und Wut gerät Xhafer in einen gefährlichen Sog, der eine Reihe von ausser Kontrolle geratenen Ereignissen lostritt. Im Verlauf des Films verändert sich auf eine tragische Weise Xhafers Verhälntnis zu allen seinen Mitmenschen – seiner Frau, seiner Schwiegermutter, seinen Arbeitskollegen und besonders seinem Chef.

Fazit:

Das wichtigste vornweg: «Exil» ist nichts für zartbesaitete Gemüter! Wem schon beim Gedanken an den Anblick von toten Tieren oder der Darstellung von Gewalt flau wird, ist der Film nicht zu empfehlen. Nichtsdestotrotz gibt es einen triftigen Grund, den Film zu sehen: Rassismus in unserer Gesellschaft. Wo fängt Rassismus an? Wie erkennt man ihn? Und wie wehrt man sich dagegen?

Das grösste Plus des Films ist auf alle Fälle der ausgeklügelte Aufbau einer beklemmenden Atmosphäre, die sich von Anfang bis ganz am Schluss hält. Jedoch fällt der Film mit zwei Stunden eher lang aus. Er vermag es so nicht immer, auch die Spannungskurve oben zu halten.

Wie richte ich mir ein Home Cinema ein? Alles dazu gibt es in diesem Artikel.

Weiterführende Informationen zum ZFF gibt es hier.

Text Lars Gabriel Meier

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