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Krankheit Gesundheit

Wie sich das Coronavirus auf die Psyche auswirkt

28.03.2020
von Flavia Ulrich

Covid-19 hat grosse Auswirkungen auf unseren normalen Tagesablauf und den Erhalt von sozialen Kontakten. Um andere Menschen und sich selbst zu schützen sowie die Ausbreitung einzudämmen, sollte man zuhause bleiben. Doch diese Isolation stellt eine für fast alle eine unbekannte Situation dar. Wir haben uns damit beschäftigt, wie sich diese angeordneten Massnahmen und die momentane Situation auf die eigene Psyche auswirken und haben hierzu auch die Psychologin Nadine Laub befragt.

Das Coronavirus betrifft in erster Linie den Körper, doch die angeordneten Massnahmen sowie die Auswirkungen der akuten Krisensituation, ist für viele Menschen eine grosse emotionale Belastung und kann zu psychischen Folgen führen. Mit dieser Ausnahmesituation gehen Menschen unterschiedlich um und sind ferner psychisch nicht alle gleich betroffen. Während die einen Hamsterkäufe tätigten, trafen sich andere bis vor kurzem noch am Seeufer mit ihren Freunden. Vermeidungs-, Flucht- und Ausweichverhalten kommen genauso vor wie Aktionismus, Überreaktionen oder unbedachte Handlungen.

An die neue Situation anpassen

Eine der angeordneten Massnahmen lautet: «Zuhause bleiben!» Wenn möglich, sollte man die Zeit in den eigenen vier Wänden verbringen und nur für das Nötigste, wie einkaufen oder mit dem Hund spazieren gehen, das Haus verlassen. Nadine Laub ist Psychologin und hat sich während dieser Zeit bereits intensiv mit den psychologischen Auswirkungen des Coronavirus beschäftigt.

Ihrer Meinung nach ist der Umgang mit einer solchen Isolation von Mensch zu Mensch verschieden: «Eine wichtiger Faktor, wie wir mit solchen Ausnahmesituationen umgehen ist unter anderem die eigenen Resilienz – unsere psychische Widerstandskraft. Sind wir mit einer guten Resilienz ausgestattet, verfügen über ein funktionierendes soziales Netzwerk und bestehen keine psychische Vorbelastungen, haben wir gute Chancen, kurze Isolationsphasen gut zu überstehen.» Wenn die Isolation länger andauere, seien selbst psychisch stabile Menschen in dieser Ausnahmesituation emotional sehr gefordert und die Gefahr für häusliche Konflikte, Gewalt, Depressionen, Angstattacken oder gar Suizidalität erhöht.

Die meisten Menschen können sich jedoch gut an die neue Situation adaptieren und die Zeit zuhause gewinnbringend nutzen. Das schnelllebige und oft hektische Leben vieler Menschen hat sich nun rasant verlangsamt. Wo vorher wenig Zeit für wichtige Dinge wie Selbstfürsorge oder die Familie war, sind nun Freiräume entstanden, die wir für das eigene Wohlbefinden, unsere Gesundheit und für unser soziales Netzwerk nutzen können.

zu Hause die Psyche stärkenCoronavirus wird womöglich als Schockrisiko wahrgenommen

Für unsere Psyche stellen die Medienberichte, die Todesfallzahlen, die Bilder aus Italien oder China und die Einzelfallschicksale eine enorme Herausforderung dar. Solche Ausnahmesituationen nehmen Menschen häufig als Schockrisiko wahr, sagt die Psychologin. Schockrisiken sind Situationen von existentiellem und bedrohlichem Ausmass, in welchem viele Menschen in einem kurzen Zeitraum stark bedroht sind oder ums Leben kommen. Schockrisiken werden besonders gefährlich eingeschätzt, auch wenn das tatsächliche Sterberisiko weiterhin eher gering bleibt. Folgen davon können laut Nadine Laub, neben Depressionen oder Angstzuständen auch Anpassungsstörungen, akute Belastungsreaktionen oder posttraumatische Belastungsstörungen sein.

Die Ängste rund um Covid-19 seien laut der Psychologin meist existentieller Art. Denn man sorge sich um das eigene Wohl sowie das seiner Liebsten. Auch die berufliche Situation und die Unsicherheit der finanziellen Stabilität könne zu existentiellem Stress führen. In einer solchen Situation fehlen wichtige Anhaltspunkte in unserem Leben wie gewohnte Tagesstrukturen oder sozialer Austausch, der ansonsten Face-to-Face stattfindet. Die Psychologin sieht darin eine grosse Herausforderung: «Menschen sind soziale Wesen und einer der wichtigsten Regulationen für das autonome Nervensystem ist der soziale Kontakt. Genau dieser ist im Moment eingeschränkt. Somit fällt ein wichtiger Bestandteil der biologischen Regulation weg.» Daher sollten Menschen gerade jetzt wichtige Kontakte pflegen. Man könne telefonieren, skypen und darüber sprechen wie es einem gerade in dieser Situation gehe.

Menschen sind soziale Wesen und eine der wichtigsten Regulationen für das autonome Nervensystem ist der soziale Kontakt.

Psyche und Immunsystem sind stark verbunden

Es ist klinisch bewiesen, dass sich Stress und Angstzustände auf das Immunsystem auswirken. Stresshormone wie Cortisol oder Adrenalin wirken sich negativ auf unsere Abwehrkräfte aus und lassen die Anzahl gesunder Immunzellen schwinden. Durch ein solches geschwächtes Immunsystem kann die Infektionshäufigkeit ansteigen und man wird schneller krank. Besonders in einer solchen Ausnahmesituation sollte man somit mehr auf sich selbst, seine Psyche und ferner den eigenen Körper achten.

Sport stärkt PsycheUm die Stressbelastung zu minimieren können wir einiges für unsere Psyche und unseren Körper tun. Hier empfiehlt Nadine Laub einige Selbsthilfemassnahmen: «Wichtig ist es zu unterscheiden, welche Umstände man in der aktuellen Situation beeinflussen kann und welche nicht. Zudem ist es hilfreich den Medienkonsum einzuschränken und die Informationskanäle mit Bedacht und Achtsamkeit zu wählen. Eine weitere wichtige Massnahme, ist die Tagesstruktur aufrechterhalten. Hier können wir bewusst Zeiten für uns selbst, für Spaziergänge in der Natur oder Entspannungsübungen einplanen. Weiterhin ist es wichtig, sich mit Dingen zu beschäftigen die Freude bereiten und für positive Gefühle sorgen. Bleiben Sie, über Telefon oder online, in Kontakt mit den Menschen, die Ihnen wichtig sind. Dies hilft diese Zeit gut zu überstehen und ist auch für unsere psychische wie körperliche Gesundheit unabdingbar.»

Wer an Überforderungsgrenzen kommt oder sich mit der Situation zunehmend unwohl fühlt, könne sich zudem jederzeit psychologische Unterstützung suchen. Psychologische Hilfe sei auch in dieser Zeit möglich und niemand müsse sich alleine fühlen.

Text Flavia Ulrich

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