schlaf schlaflos in  schweiz
Krankheit Gesundheit

Schlaflos in der Schweiz

08.06.2019
von Sonya Jamil

Egal ob Nachteule oder Morgenmensch: Einen Drittel unseres Lebens verbringen wir schlafend. Einen erholsamen Schlaf hat jedoch nicht jeder: In der Schweiz klagt jede dritte Person über Schlafstörungen. «Fokus» über das Volksleiden schlechthin.

Nachts wälzt man sich unruhig von der einen Seite auf die andere. Tausend Gedanken schiessen durch den Kopf: Ist die Präsentation bereit für den nächsten Tag? Wer holt morgen das Kind von der Schule ab? Und wieso hat man vor 30 Jahren die Lehrerin vor versammelter Klasse «Mama» genannt? Die Folgen sind schlaflose Nächte und wenn sich diese häufen, schlägt das auf das Gemüt und die Gesundheit.

 Wenn der Schlaf ausbleibt

An manchen Tagen schläft man besser, an anderen schlechter. Das ist vollkommen normal. Mediziner sprechen von einer Schlafstörung, wenn man über einen Zeitraum von mindestens vier Wochen fast jede Nacht schlecht schläft. Diese Schlafstörungen können sich durch Schwierigkeiten beim Einschlafen, Durchschlafen oder frühzeitiges Erwachen bemerkbar machen. Die 2018 veröffentlichte Gesundheitsumfrage des Bundesamts für Statistik zeigte, dass 40 Prozent der Frauen an Einschlaf- oder Durchschlafproblemen leiden, genauso wie 30 Prozent der Männer. Dass die Anzahl der schlaflosen Frauen höher ist, liegt laut Psychologen daran, dass sie nachts eher grübeln und deshalb länger wachliegen als Männer. Die Ursachen von Schlafproblemen reichen von ungünstigen Umwelteinflüssen wie Licht oder Lärm zu physischen oder psychischen Erkrankungen. Begleiterscheinungen wie Zähneknirschen, Beinkrämpfe, Sprechen im Schlaf oder Albträume können einem zusätzlich die Nacht erschweren.

Schlaftrunken bei der Arbeit

Wer müde ist, geht heutzutage nicht schlafen, sondern arbeiten. Angestrengt wird in den Computerbildschirm gestarrt, während man den sechsten Kaffee herunterkippt. Unausgeschlafene Mitarbeiter nützen dem Unternehmen jedoch nur wenig und verursachen sogar zusätzliche Kosten. Zu diesem Schluss kam die US-Denkfabrik RAND. Der Schweizer Studienleiter Marco Hafner, der für RAND in Cambridge forscht, hat seine Berechnungen auf die Schweiz übertragen und fand vor einigen Jahren heraus: Schweizer Unternehmen verlieren pro Jahr bis zu 4.5 Millionen Arbeitstage und der Schweizer Volkswirtschaft entgehen pro Jahr zwischen 5 und 8 Milliarden Franken. Die Mitarbeitenden sind aufgrund von Schlafmangel entweder öfter krank oder sind bei der Arbeit unkonzentrierter und weniger produktiv. Moderne Unternehmen stellen ihren Arbeitnehmern heutzutage Ruheräume zur Verfügung, in welche sie sich für einen Powernap zurückziehen können.

Schweizer Unternehmen verlieren pro Jahr bis zu 4.5 Millionen Arbeitstage.

Mythen rund um den Schlaf

Ein gesunder Schlaf bedeutet nicht immer, früh zu Bett zu gehen und acht Stunden durchzuschlafen. Unabhängig vom Zeitpunkt des Einschlafens befindet man sich in den ersten drei bis vier Stunden öfters in der Tiefschlafphase, was die Menschen als erholsam empfinden. Es ist deshalb nicht für jeden Menschen sinnvoll, vor Mitternacht in die Federn zu kriechen, denn die innere Uhr tickt bei jedem anders. Kurzschläfern reichen etwa fünf Stunden, die meisten Langschläfer kommen auf etwa neun Stunden. Aber auch Werte darunter oder darüber deuten nicht zwangsläufig auf einen ungesunden oder schlechten Schlaf hin. Hier heisst es, wie bei so vielen Dingen: Qualität über Quantität. Wir wachen etliche Male in der Nacht auf und fühlen uns morgens trotzdem frisch und ausgeruht. Diese nächtliche Wachzeiten dauern bis zu drei Minuten, doch sind wir uns ihnen gar nicht immer bewusst. Wer unter der Woche nicht genug Schlaf bekommt und dies am Wochenende kompensieren will, der bringt seine innere Uhr und somit seine Gesundheit durcheinander. Die Folgen sind Übergewicht, Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Diabetes. Dies fand eine Studie an der Universität in Colorado heraus. Um seine Schlafdefizite auszugleichen, sollte man die ganze Woche über Zeitfenster schaffen, um den Schlaf nachzuholen.

Alles für einen erholsamen Schlaf

Die wichtigste Regel vornweg: Nur dann zu Bett gehen, wenn man müde ist. Regelmässige Schlaf- und Aufstehzeiten sind eine der wichtigsten Voraussetzungen für einen gesunden Schlaf. Das ist insbesondere für Personen mit Schichtarbeit nicht ganz einfach, denn sie schlafen dann, wenn es der Dienstplan zulässt. Eine Herausforderung für den Organismus. Es empfiehlt sich, nach einer Nachtschicht auch in Schichten zu schlafen: etwa vier Stunden direkt nach der Arbeit und dann noch einmal zwei bis drei Stunden am Nachmittag. Ansonsten gilt für alle Menschen: Dunkelheit und Stille im Schlafzimmer und eine Raumtemperatur von 18 Grad wären ideal.

«Wer anstatt zu schlafen schwitzt oder friert, der darf sich nicht wundern, wenn er am Morgen gerädert ist», meint Schlaf- und Liegetherapeut Daniel Zimmermann. Er führt weiter aus: «Das Bett muss richtig bequem sein und möglichst keine Druckstellen verursachen. So werden die Schlafzyklen, welche zur nötigen Regeneration benötigt werden, nicht gestört.» Und auch die Schlafposition  kann für einen erholsamen Schlaf sorgen: «Grundsätzlich ist die Seitenlage zu empfehlen, denn in der embryonalen Stellung ist die Muskulatur am entspanntesten.»

Alkohol hilft manch einem einzuschlafen, aber nicht durchzuschlafen.

Viele Möglichkeiten, einzuschlafen

Ein guter Schlaf will vorbereitet sein, deshalb sollte man abends nicht zu schwer essen und spätestens am Nachmittag auf den Koffeinkonsum achten. Alkohol hilft manch einem einzuschlafen, aber nicht durchzuschlafen. Anstrengende körperliche oder geistige Leistung kurbelt den Kreislauf an, was vor dem Schlafengehen niemandem zu Gute kommt. Deshalb sollte man etwa zwei Stunden vor der Schlafenszeit auf Sport verzichten. Und auch das Blaulicht von Handy und Fernseher ist für einen gesunden Schlaf nicht förderlich. Wer der schlaflosen Nacht mit Grauen entgegenblickt, dem könnte Yoga oder Meditation helfen. Bei den Entspannungsübungen hat man möglicherweise die Augen bereits zu – die halbe Miete zum Einschlafen! Podcasts geniessen heute grosse Beliebtheit, und können sogar einschläfernd wirken. Das Möbelhaus Ikea hat seit kurzem einen Podcast lanciert, in dem englischsprechende Mitarbeiter mit Akzent den Möbelkatalog runterlesen und somit die Zuhörer dazu bringen, einzuschlafen.

Unsere heutige Welt ist schnelllebig und voller Erwartungen, der Alltag vollgespickt mit schönen und herausfordernden Momenten. Beim Schlafen verhält es sich ähnlich wie bei anderen Dingen im Leben: Augen zu und durch und Träumen nicht vergessen!

Text: Sonya Jamil

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