eine hand hält tröstend eine ane.
50+ Familie Jugend

Wie weiter nach dem Tod von Familienmitgliedern?

28.03.2020
von Lars Meier

Stirbt ein geliebter Mensch, steht die Welt zunächst still. Nie wieder wird das Leben so sein, wie es vorher war. Jedoch gibt es Wege, wie man mit der Trauer besser umgehen kann und sie damit erträglicher macht.

«Death is just a part of life. It’s something we’re all destined to do», sagt die Mutter von Forrest Gump im gleichnamigen Film, als sie im Sterbebett liegt. Auch für uns spielt der Tod oft erst eine Rolle, wenn wir uns von einem geliebten Menschen verabschieden müssen. Je nach Alter erfolgt diese Auseinandersetzung aber auf verschiedene Arten. Jörg Weisshaupt ist der Geschäftsführer des Non-Profit-Vereins «trauernetz» in Zollikon und kennt sich mit den Trauerreaktionen nach plötzlichen Todesfällen gut aus. Wie gehen junge Menschen mit einer solchen Ausnahmesituation am besten um?

Death is just a part of life. It’s something we’re all destined to do. Forrest Gump (1994)

«Für Kinder und Jugendliche ist es hilfreich, wenn die Struktur ihres Alltags weitgehend unverändert bleibt. Konkret heisst das, dass die Zeiten zum Aufstehen, Essen und Schlafengehen beibehalten werden, dass Rituale wie das Vorlesen einer Geschichte vor dem Einschlafen oder die abendliche Kontrolle der Hausaufgaben bestehen bleiben», meint der Experte. «Auch das Weiterführen der gewohnten Tagesstruktur in Schule und Beruf wird als hilfreich erlebt, weil diese Strukturen bekannt sind und Halt bieten.» Erwachsene haben laut Jörg Weisshaupt andere Bedürfnisse: «Sie wünschen sich Raum und Zeit für sich, weil sie mit dem Gefühlschaos im Alltag nicht mehr zurecht kommen.»

Der Tod als Tabuthema

Noch immer ist der Tod in unserer Gesellschaft ein Tabuthema, ebenso der Umgang damit. Dabei können die Auswirkungen eines Todesfalles gravierender sein als gemeinhin bekannt, wie Jörg Weisshaupt betont: «Trauer ist keine seelische Krankheit, aber sie macht krank, wenn man sie nicht zulässt!» Erfahren wir infolge eines Verlusts Trauer, setzt sich ein komplexer Prozess in Gang. Je nach Situation sieht dieser aber unterschiedlich aus, wie Experte Jörg Weisshaupt erklärt: «Jeder Verlust löst Trauer aus. Je nach Todesursache nimmt der Trauerprozess einen anderen Verlauf. Es kann Jahre dauern, bis die trauernde Person realisiert und anerkennt, dass der Verlust zu ihrer Lebensgeschichte gehört.»

Mit der Trauer umgehen

Kein Leben kann nur von positiven Gefühlen begleitet sein. Aber kein trauernder Mensch muss sich diesem Empfinden nach Verlustsituationen hilflos ausgesetzt sehen. Jörg Weisshaupt rät: «Wenn in der betroffenen Familie mit Offenheit und Würde über die verstorbene Person, die Umstände, welche zum Tod geführt haben und mit Toleranz und Verständnis in Bezug auf den individuellen Umgang mit dem Verlust gesprochen werden kann, vereinfacht dies den Trauerprozess. Konkret heisst das, dass jede trauernde Person andere Gefühle empfindet und zu unterschiedlichen Zeiten traurig ist. Wenn jemand nicht weinen kann, heisst das nicht, dass er oder sie die verstorbene Person nicht geliebt hat, aber der Verlust ist vielleicht so schmerzhaft, dass die Seele wie versteinert ist und keine Gefühle mehr zulässt.» Vermeiden sollte man laut dem Experten be- oder verurteilende Gedanken gegenüber der toten Person oder das Zuweisen von Schuld.

Eine Schweizerin als Begründerin der Sterbeforschung

Aufgrund der Relevanz des Todes für uns alle beschäftigen sich zahlreiche Forscherinnen und Forscher aus allen Teilen der Welt immer wieder aufs Neue mit dem Tod und wie man damit umgeht. Ein weithin bekanntes Modell stammt von Elisabeth Kübler-Ross, welches sich sowohl auf Sterbende in der Phase vor ihrem Tod als auch auf Trauernde in der Abschiedsphase übertragen lässt. Elisabeth Kübler-Ross wurde 1926 in Zürich geboren und emigrierte später in die USA, wo sie in Spitälern todkranke Patienten besuchte und Interviews mit ihnen führte. Daraus entstand ein Buch mit dem Titel «On Death and Dying. What the dying have to teach doctors, nurses, clergy, and their own families». Dieses erschien 1969 und machte die gebürtige Zürcherin international bekannt und zugleich zur Begründerin der Sterbeforschung. In der Infobox sind die Phasen ihres Modells aufgelistet, wobei die Beispielsätze hier aus der Sicht von Hinterbliebenen formuliert sind.

Welche Rolle nimmt der Tod in der heutigen Gesellschaft ein? «Der Fokus unserer Gesellschaft liegt auf dem Leben, es zu verlängern und jung zu bleiben. Der Tod wurde zum Feind des Menschen erklärt, nicht zuletzt aus wirtschaftlichen Überlegungen», resümiert Jörg Weisshaupt. «Es ist nicht verwunderlich, dass in Folge dieser Haltung und Praxis die Frage nach dem Sinn von lebensverlängernden Massnahmen gestellt wird oder dass man diskutiert, was uns würdevolles Leben und würdevolles Sterben bedeutet.»

Jeder Mensch trauert anders

Niemand möchte nach einem Todesfall an die Zukunft denken. Tatsächlich wandeln sich die Gefühle aber mit der Zeit, wie Jörg Weisshaupt berichtet: «Wenn schöne Erinnerungen oder das Betrachten des Fotoalbums zuerst schmerzlich und kaum auszuhalten sind, wandelt sich dies mit der Zeit. Trauernde empfinden auch Jahre nach dem Verlust noch Trauer, wenn sie sich an die verstorbene Person zurückerinnern, aber sie erleben diese Erinnerungen als hilfreich und gut. Keine Trauergeschichte gleicht der anderen in Verlauf und Dauer. Die Erfahrung zeigt, dass traumatisierte Trauernde durch Therapiegespräche oder geführte Selbsthilfegruppen den Verlust eher akzeptieren können. Dies hilft ihnen, ihren Blick nach vorne zu richten und wieder Perspektiven für ihr eigenes Leben zu entwickeln.»

Und auch hier hat die Mutter von Forrest Gump Recht: Ja, der Tod ist ein Teil unseres Lebens. Aber er ist nur ein Teil davon. Der Tod wird in unser aller Leben eine Rolle spielen, aber er wird es zu unseren Lebzeiten nie ausschliesslich bestimmen.

Trauerphasen nach Elisabeth Kübler-Ross (1926 – 2004) und jeweilige typische Sätze:


Phase 1 – Das Leugnen

«Das kann nicht wahr sein!»

Phase 2 – Der Zorn
«Wieso hat es gerade sie getroffen?»

Phase 3 – Das Verhandeln
«Wenn ich oft in die Kirche gehe, geschieht vielleicht noch ein Wunder…»

Phase 4 – Die Depression
«Ich habe so wenig Zeit mit ihm verbracht…»

Phase 5 – Die Akzeptanz
«Nun bin ich bereit, mich wieder auf andere Dinge zu konzentrieren.»

Text Lars Gabriel Meier

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