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Digitalisierung Künstliche Intelligenz Innovation IT Interview

Marianne Janik: «Die Cloud wird unser Leben stark beeinflussen»

23.07.2018
von Miriam Dibsdale

Marianne Janik ist seit Juli 2015 Chefin von Microsoft Schweiz. Im Interview mit «Fokus» macht sie sich für mehr Frauen im IT-Bereich stark und spricht über die Chancen der Digitalisierung für Unternehmen.

Marianne Janik, Sie haben offenbar das gleiche Motto wie damals mein Kommandant in der Rekrutenschule: «Fortiter in re, suaviter in modo – Hart in der Sache, mild in der Form». Haben Sie einen militärischen Führungsstil?

Klare Worte zu finden, dabei aber wertschätzend zu bleiben, ist ja kein Privileg für Offiziere, sondern sollte eine allgemein angestrebte Umgangsform sein. Ich habe in über 25 Jahren Führungsverantwortung die Erfahrung gemacht, dass es Mitarbeiter sehr schätzen, wenn ihnen keine blumigen Allgemeinplätze serviert werden, sondern nachvollziehbare Argumente. Und die sind meistens besser in klaren Worten darstellbar.

Wie sind Sie als ausgebildete Juristin in den IT-Bereich gekommen?

Ich habe mich von Beginn meiner Karriere an für Themen interessiert, die einen echten Fortschritt bedeuten und gleichzeitig spannende neue Geschäftsfelder sein können. An Technologiethemen konnte man so in den letzten 20 Jahren gar nicht vorbeikommen.

Frauen sind in der Branche untervertreten. Interessieren sie sich schlicht weniger für IT-Themen oder gibt es andere Barrieren?

Es gibt Barrieren, und deshalb werden wir nicht müde, uns dafür einzusetzen, dass Mädchen bereits in den Schulen spezifisch an MINT-Fächer herangeführt werden. Das sollte sich bei der Wahl der Berufsausbildung und des Studiums fortsetzen. Es gibt noch sehr viel zu tun, um Frauen für unsere Branche langfristig zu begeistern. Wir brauchen diese weiblichen Talente dringend, gerade in der Schweiz. Von den 15 höchsten Führungspositionen bei Microsoft Schweiz ist jedenfalls ein Drittel mit Frauen besetzt.

Befürworten Sie grundsätzlich Frauenquoten in Kaderpositionen von Unternehmen, um die Karrierechancen zu erhöhen?

Eindeutig nein! Meine feste Überzeugung ist die, dass sich Qualität langfristig immer durchsetzen wird. Soll heißen, dass es sich kein vernünftig geführtes Unternehmen mehr wird leisten können, eine wichtige Position nach Genderkriterien zu besetzen. Das bedeutet allerdings nicht, dass wir Frauen nicht von Beginn ihrer Karriere an unterstützen und fördern müssen.

Die technologische Entwicklung führt zu einem steigenden Bedarf an Fachkräften mit einem Informatik-Hintergrund. Davon gibt es heute in der Schweiz zu wenig. Welche Massnahmen schlagen Sie vor?

Alle, die möglich sind – und am besten noch ein paar mehr. Ich glaube, dass die Jugend heute schon weiss oder ahnt, dass man mit Informatik-Know-how in jedweder Form in den nächsten 50 Jahren ausbildungstechnisch gut aufgestellt ist. Ich sehe aber auch, dass trotzdem viel zu wenige in diese Richtung gehen. Und das, obwohl es wenige gleich gute Alternativen gibt. Hier scheint mir zu wenig dafür getan zu werden, IT-Berufsbilder in den Schulen mehr zu bewerben, Jugendliche dort heranzuführen und auch konkret die Ausbildungswege darzustellen.

Ich würde behaupten, dass gute Daten das neue Gold sind.

Um die IT-Sicherheit in der Schweiz soll es schlecht bestellt sein. Wie beurteilen Sie diese Thematik?

IT-Sicherheit stellt weltweit eine Herausforderung dar, da ist die Schweiz keine Ausnahme. Ich sehe aber immerhin, dass dieses Thema bei den obersten Führungskadern in der Schweiz angekommen ist. Trotzdem stelle ich manchmal immer noch fest, dass einige hoffen, dass es sich um ein Problem handelt, das nur die anderen trifft. Damit bleibt auch in der Schweiz noch Arbeit in der Stärkung der Beurteilungsfähigkeit unserer oberen Kader. Sie müssen auch erkennen, dass sie sich nicht alleine um sämtliche Sicherheitsaspekte kümmern müssen, sondern auf Hybrid-Cloud-Anbieter wie Microsoft zurückgreifen können.

Sicherheit kostet. Besteht die Gefahr, dass Unternehmen aus finanziellen Gründen in diesem Bereich sparen?

Natürlich. Vor allem deshalb, weil es meistens nicht oder nur unzureichend budgetiert wurde und keine klaren Kennzahlen in diesem Bereich verfügbar sind. Das ist vor allem so, weil IT Sicherheit bislang in vielen Fällen in den Unternehmen keine Lobby hatte. Das ändert sich jetzt aber schrittweise durch neue CIOs und eine neue Denkweise von oben. Doch auch hier gilt: Risikomanagement ist und bleibt Chefsache!

«Data is the new oil». Inwiefern trifft diese Aussage in Ihren Augen zu?

Öl ist ja ein Rohstoff, der verbraucht wird, wohingegen persönliche Daten lebenslang gespeichert und auch mehrfach verwendet werden können. Ich würde den Satz also noch zuspitzen und behaupten, dass gute Daten das neue Gold sind. Die Entscheidung über die Vermarktung der eigenen Daten liegt beim Datenerzeuger.

Überwiegen für Sie die positiven oder die negativen Seiten des Datensammelns und -auswertens?

Davon ausgehend, dass ich über die Vermarktung meiner Daten selbst mitbestimmen und auch selbst davon profitieren kann, überwiegen die positiven Seiten.

Wie wichtig sind Cloud-Technologien für Unternehmen? Welche Vorteile bieten sie?

Cloud-Computing führt zu grundlegenden gesellschaftlichen Veränderungen. Es stellt alle bedeutende Branchen früher oder später auf den Kopf, ermöglicht mathematische Berechnungen, die für eine Revolution im Bereich der künstlichen Intelligenz nötig sind, und beeinflusst auch unser Leben, nämlich unsere Art zu kommunizieren und zu arbeiten. Der Grund: Dank der Cloud steht Nutzern eine Unmenge an Computing-Ressourcen zur Verfügung – viel effizienter, als dies in einem unternehmenseigenen Rechenzentrum der Fall wäre. Und sie können auf diese Ressourcen über einen beliebigen Computer, ein beliebiges Smartphone oder ein anderes Gerät zugreifen.

Virtual Reality und Augmented Reality gelten seit Jahren als grosse Trends, der Durchbruch fehlt indes. Wie bewerten Sie das Potenzial dieser Technologien?

Ich denke, dass die Anwendungsbereiche noch nicht hinreichend gut kommuniziert wurden, aber das Potential ist auch hier immens. Beispielsweise nutzt der Microsoft-Kunde «Tetra Pak» Augmented Reality bereits heute in der Produktion, um Ausfallzeiten zu vermeiden. Systemspezialisten helfen aus der Ferne den Servicetechnikern, die eine «HoloLens» (eine Mixed-Reality-Brille, Anm. d. Red.) tragen. Allerdings glaube ich persönlich, dass VR und AR als grosse Trends die längste Zeit brauchen werden, um ihren Durchbruch zu feiern.

Künstliche Intelligenz (AI) in Verbindung mit Cloud Computing wird nicht nur die IT-Branche, sondern auch die Regierungen und alle anderen Teile der Gesellschaft verändern.

Welche Trends könnten den IT-Bereich insgesamt am meisten verändern in den nächsten Jahren?

Künstliche Intelligenz (AI) in Verbindung mit Cloud Computing wird nicht nur die IT-Branche, sondern auch die Regierungen und alle anderen Teile der Gesellschaft verändern. Es werden neue Vorschriften und Gesetze erlassen werden, welche die Entwicklung und den Einsatz künstlicher Intelligenz regeln. Es zeigt sich, dass AI in den nächsten Jahrzehnten neue Arbeitsplätze schaffen, andere abbauen und die Aufgaben und Inhalte fast aller anderen Arbeitsplätze ändern wird.

Müssen wir in einigen Jahren überhaupt noch selber arbeiten oder wird künstliche Intelligenz unsere Aufgaben übernehmen?

Arbeit wird sich verändern und es wird neue Profile geben, die wir heute noch gar nicht kennen. Künstliche Intelligenz selbst wird keine Aufgabe zu 100% übernehmen, aber sicher sehr erleichtern und verändern.

Befürworten Sie grundsätzlich die Idee des bedingungslosen Grundeinkommens?

Das hängt sehr von vielen Faktoren ab, unter anderem dem Land, dem gesellschaftspolitischen Konsens zu diesem Thema und natürlich den Ressourcen. Für die Schweiz lehne ich diese Idee ab, weil es hier wenig Arbeitslosigkeit, ein hohes Lohnniveau und auch eine sehr dezidierte Arbeitsmoral gibt. Ich glaube auch nicht, dass es dafür eine Mehrheit gäbe.

Welchen Einfluss hat die Digitalisierung auf Microsoft Schweiz? Was sind die Chancen und Gefahren für Ihr Unternehmen?

Ich sehe ehrlich gesagt nur Chancen für uns. Die Zukunft gehört der Cloud, und das ist gut so. Durch unsere zwei neuen Datacenter in Zürich und Genf garantieren wir, dass die Datenvorhaltung ausschliesslich in der Schweiz erfolgt. Im Katastrophenfall ist dadurch die Verfügbarkeit innerhalb der Schweiz sichergestellt. Hiermit möchten wir einen Beitrag zur Schweizer Innovationskraft leisten, denn die Digitalisierung ist eine grosse Chance, aber auch eine grosse Herausforderung für die Schweizer Wirtschaft. Mit der Microsoft Cloud in der Schweiz geben wir jedem Unternehmen das Werkzeug, um sich in der digitalisierten und datenbasierten Welt zu behaupten. Ganz im Sinne unserer Mission: Jede Person und Organisation zu befähigen, mehr zu erreichen.

Interview Remo Bürgi

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