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Chancen und Risiken von Fintech

12.09.2019
von Mohan Mani

Blockchain, ICO, Big Data, Cyberrisiko, Robotik und künstliche Intelligenz: Die Finanzbranche befindet sich nicht zuletzt wegen neuer Technologien, Fintech, im Umbruch. Wo liegen Chancen und Gefahren?

Angesichts tiefer Zinsen, schwacher Profitabilität und neuem Kundenverhalten ist Innovation eine wichtige, vielleicht sogar existenzielle Frage für die Finanzindustrie. Innovationsfreundlichkeit bedeutet aber nicht Blauäugigkeit. Digitalisierung und Finanzinnovation führen zu neuen Risiken oder zu alten Risiken in neuen Kleidern: «Als Aufsichtsbehörde ist es unsere Aufgabe, diese Risiken zu kennen, zu beobachten und bei Bedarf einzuschränken», erklärt Mark Branson, Direktor der eidgenössischen Finanzmarktaufsicht FINMA. «Ich denke dabei an Geldwäschereirisiken im Blockchain-System, an Verlustrisiken für Investoren bei ICOs und besonders auch an die Bedrohung aufgrund von Cyberrisiken

Das Versprechen von Fintech

Aktuell kommt eine Vielzahl neuer Produkte und Anwendungen auf den Markt: Projekte finanzieren sich über die Crowd, die Übermittlung von Geld erfolgt per Smartphone, neue Bevölkerungsschichten in Entwicklungsländern erhalten Zugang zu Finanzdienstleistungen und Roboter mit künstlicher Intelligenz (KI) treffen immer häufiger ganze Anlageentscheide: «Wir anerkennen das grosse Potenzial, das Fintech und die Blockchain-Technologie dem Finanzplatz bieten. Wir sehen uns als Aufsichtsbehörde hier auch in einer Rolle: Wir wollen Innovation ermöglichen. Den Tatbeweis haben wir mehr als einmal erbracht», bekräftigt Mark Branson.

Hype oder Innovationsmotor?

Blockchain ist eine spannende Technologie. Man kann sich zum Beispiel vorstellen, dass Teile der heutigen Finanzmarktinfrastruktur eines Tages obsolet werden – man erinnere sich an die Prophezeiung von Bill Gates aus dem Jahr 1994 mit den Worten «Banking is necessary, banks are not» (zu deutsch: «Bankgeschäfte sind notwendig, Banken aber nicht»). Im Kontext von Kryptowährungen und ICOs (Initial Coin Offering) nutzt man die Blockchain-Technologie bereits stark . ICOs haben sich gemäss Branson in kurzer Zeit von einer unbekannten Methode der Geldbeschaffung zu einem regelrechten Magneten entwickelt, der allein im Jahr 2017 weltweit über sechs Milliarden Dollar angezogen hat. Vier der sechs grössten ICOs fanden dabei in der Schweiz statt. Die Schweiz hat sich zu einem wichtigen ICO-Hub entwickelt.

Mark Branson meint dazu: «Bei all der Begeisterung, die teilweise herrscht, sollte man nicht vergessen: Kryptowährungen sind riskant. Ein völlig libertärer Ansatz ist deshalb verfehlt. Die Wertschwankungen sind extrem. Die Risiken werden den Kunden von ICOs zudem häufig nicht transparent vermittelt. Vielfach gibt es nur rudimentäre Informationen über die oft noch jungen Projekte. Das Ausfallrisiko ist – wie bei anderen Start-up-Investitionen – erheblich. Zudem besteht Potenzial für Geldwäscherei.»

Hacker- und Cyberrisiken

Gerade Finanzinstitute sind ein Lieblingsziel von Hackerangriffen und anderen Cyberattacken. Dies zeigen die jüngsten Statistiken der Melde- und Analysestelle Informationssicherung MELANI: Zwei Drittel der Angriffe auf kritische Infrastrukturen betreffen den Finanzsektor. Das Risiko solcher Attacken steigt mit der zunehmenden Digitalisierung. Cyberangriffe sind inzwischen das grösste operationelle Risiko für das Finanzsystem. Und das beste Abwehrsystem ist nur so gut wie das schwächste Glied. So konnten sich Hacker erfolgreich Zugang zum internationalen Zahlungssystem Swift verschaffen, nachdem sie bei der Zentralbank in Bangladesh eingedrungen waren. In der Schweiz wurden auch schon umfangreiche Kundendaten bei einer Krankenversicherung entwendet. «Es ist zentral, dass die Finanzinstitute ihre eigene Verwundbarkeit kennen», warnt Mark Branson. «Ein wichtiges Instrument ist hier Penetration-Testing. Ebenso bedeutend ist die Reaktionsfähigkeit, sollte es zu einem Cyberangriff kommen. Im Falle eines Angriffs muss man den Geschäftsbetrieb so schnell wie möglich wiederherstellen. Jedes Institut muss hier für sich ein funktionierendes Krisendispositiv aufbauen und unterhalten.»

Es ist zentral, dass die Finanzinstitute ihre eigene Verwundbarkeit kennen.

Die Schweiz könnte mehr tun

Die Risiken gehen aber weit über einfache Diebstähle von Geld oder Daten hinaus. Gezielte Angriffe, vielleicht sogar von terroristischen, staatlichen oder halbstaatlichen Stellen, könnten systemische Dimension annehmen. Mark Branson: «Scheinen die Schweizer Finanzinstitute im internationalen Vergleich gut aufgestellt, so sehen wir, dass die Schweiz als Land weniger tut als andere Länder, um das System als Ganzes zu schützen. Andere Länder mit bedeutenden Finanzplätzen unternehmen mehr, beispielsweise mit der Sicherstellung einer zentralen Cyberkompetenz oder mit systemweiten Penetration-Tests. Ein systemweites Monitoring und entsprechende Prozesse sollte auch die Schweiz umsetzen.»

Fintech mit grossem Potenzial

«Als Aufsichtsbehörde werden wir unser Möglichstes tun, seriöse Innovation im Finanzsektor zu ermöglichen», betont Mark Branson abschliessend. Ob aber die Anwendungen ihr Versprechen halten können, sollen der Markt und die Kunden entscheiden, nicht die regulatorischen Rahmenbedingungen. Es tummeln sich sowohl Innovatoren als auch Trittbrettfahrer, regulatorische Arbitrageure und Betrüger in der Kryptowelt. Chancen und Risiken gilt es, in der vermehrt maschinengesteuerten Fintech-Welt, genau abzuwägen und gesunden Menschenverstand walten zu lassen.

Text: Mohan Mani

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