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Am Puls der Kryptowährungen

19.03.2020
von SMA

Seit dem Überschreiten der 10 000-Dollar-Marke anfangs Februar sind Bitcoin und Blockchain wieder in aller Munde – zu Recht, denn dieses Jahr steht einiges auf dem Programm für Kryptowährungen.

Dr. Raffael Huber, Leiter Research bei der Bitcoin Suisse AG

Dr. Raffael Huber, Leiter Research bei der Bitcoin Suisse AG

Kryptowährungen lieferten letztes Jahr ansehnliche Renditen: Der Bitcoin-Preis verdoppelte sich beinahe von $ 3 700 auf $ 7 100. Ein Grund dafür mag die zusätzliche Aufmerksamkeit gewesen sein, die die Thematik «digitale Währung» generell erhielt. Facebook kündete das Projekt Libra an. Dieses plant, eine Währung herauszugeben, welche man schnell und einfach per Mobiltelefon auch über Landesgrenzen hinaus verschicken kann. Ausserdem führten Zentralbanken rund um die Welt Nutzen- und Machbarkeitsanalysen oder gar Pilotprojekte zu digitalen Zentralbankwährungen durch. Auch der Bundesrat publizierte einen Bericht zum Thema – allerdings mit der Schlussfolgerung, dass eine solche Zentralbankwährung momentan mehr Risiken als Nutzen tragen würde.

Auch dieses Jahr wird es interessant für Kryptowährungen. Für die zwei grössten Kryptowährungen nach Marktkapitalisierung, Bitcoin und Ether, stehen wichtige fundamentale Ereignisse an.

Bitcoin wird rarer

Für Bitcoin steht dieses Jahr eine Änderung der «Geldpolitik» an: Im Mai folgt die Halbierung der Schaffung neuer Bitcoin von 3.6 auf 1.8 Prozent des totalen Bestandes pro Jahr. Die Regeln für diese Reduktion, die alle vier Jahre passiert, waren bereits beim Start der Bitcoin-Blockchain im Januar 2009 festgelegt. Neue Bitcoin werden programmatisch an Miner ausgezahlt, die das Netzwerk betreiben und die Blockchain weiterführen, indem sie in einem konstanten Wettstreit versuchen, neue Blöcke zu schaffen. Dies gelingt durch das Lösen eines anspruchsvollen Computer-Puzzles – ein Mechanismus, der die Blockchain gleichzeitig gegen Manipulation schützt. Ein neuer Block wird circa alle zehn Minuten geschaffen, wobei der glückliche Finder vergütet wird. Zu Beginn belief sich diese Vergütung auf 50 BTC, was schrittweise auf 25 BTC (2012) und 12.5 BTC (2016) reduziert wurde und dieses Jahr auf 6.25 BTC fallen wird.

In der Vergangenheit folgten auf dieses fundamentale Ereignis für Bitcoin signifikante Preisanstiege von etwa +9000 Prozent (2012-2013) und +3000 Prozent (2016-2017). Dies mag sowohl auf die Verknappung des Angebots als auch auf die steigende Akzeptanz von Kryptowährungen als neue Anlageklasse zurückzuführen sein. Doch eine noch grössere Änderung als die Halbierung der Block-Vergütung bei Bitcoin steht an für Ethereum. Bei Ethereum steht eine Restrukturierung an, um Ineffizenzen zu beseitigen.

Upgrade für Ethereum

Die zweitgrösste Kryptowährung, Ether, sowie deren zugrundeliegende Blockchain Ethereum wird dieses Jahr den Grundstein für eine massgebliche Weiterentwicklung legen. Ein Upgrade auf «Ethereum 2» wird einerseits dazu führen, dass man mehr Transaktionen pro Sekunde auf der Blockchain registrieren kann. Andererseits bringt dies eine massive Minimierung der Energieverbrauchs mit sich – ein oft erwähnter Kritikpunkt an Blockchains.

Ethereum ist eine Plattform, die es erlaubt, Computercode in sogenannten «smart contracts» dezentral auszuführen. Das heisst, dass Netzwerkteilnehmer rund um die Welt die Ausführung des Computercodes überprüfen, was das System resistent gegenüber Manipulationsversuchen macht. Dies hat auch das Interesse mehrerer globaler Schwergewichte, wie z.B. Microsoft oder Ernst & Young, geweckt, die Projekte auf Ethereum durchführen oder unterstützen. Ein Industriekonsortium namens «Enterprise Ethereum Alliance» kümmert sich darum, gemeinsame Standards für den Blockchain-Gebrauch zu entwickeln. Dies soll helfen, die Integration in Unternehmensabläufe nahtlos zu gestalten.

Blockchain ja, Kryptowährungen nein?

Laut einer kürzlich erschienenen Umfrage von Forrester Research, in der Firmen weltweit mit mindestens 1000 Mitarbeitenden teilnahmen, ist die Mehrheit der Befragten Blockchain gegenüber positiv eingestellt. Ein Viertel hat bereits auf Blockchain basierende Prozesse in den Unternehmensalltag eingebaut. Die landläufige Meinung zu Kryptowährungen ist jedoch immer noch gespalten: Braucht es diese überhaupt?

Zwischen Kryptowährungen und den Vorteilen der Blockchain-Technologie besteht ein fundamentaler Zusammenhang. Im Grunde genommen ist eine Blockchain nichts anderes als ein fälschungssicheres Logbuch für Transaktionen. Wie sicher gegenüber Manipulationsversuchen dieses Logbuch ist, hängt davon ab, wie viele Teilnehmer (wie z.B. Miner) aktiv im Netzwerk sind und eine Kopie dieses Logbuchs besitzen. Die durch eine grosse Teilnehmerzahl geschaffene Redundanz schützt die Blockchain gegen Angriffsversuche, da die Mehrheit der Teilnehmer gleichzeitig kompromittiert werden müsste – anders als bei herkömmlichen Systemen, die oft durch Übernahme einzelner oder weniger Schwachstellen beeinträchtigt werden können.

Kryptowährung als Schlüsselelement

Die global verteilten Betreiber der Blockchain wollen für ihren Aufwand jedoch eine Entschädigung. Wie also bezahlt man in einem System ohne zentrale Koordinationsstelle die «Angestellten»? Hier kommen Kryptowährungen als Schlüsselelement ins Spiel. Diese schafft das Blockschain-Protokoll neu und zahlt sie an die Betreiber aus. Die Kosten tragen demnach indirekt alle Halter der Kryptowährung, in dem die existierende Geldmenge nach vorprogrammierten Regeln erhöht wird. Firmen sowie Privatpersonen können die öffentliche Infrastruktur nutzen, ohne selbst die komplette Technologie zu entwickeln und zu unterhalten – zum geringen Preis, die nötige Menge an Kryptowährung zu kaufen, um Transaktionsgebühren bezahlen zu können. Solche Käufe werden längerfristig für die Nachfrage im Markt verantwortlich sein, nebst anderen möglichen Anwendungsszenarien wie Kryptowährungen als Anlage und Wertaufbewahrungsmittel im makroökonomischen Umfeld der Negativzinsen und der quantitativen Lockerung.

Das Fehlen eines zentralen Verwalters bedeutet auch, dass solche globalen Systeme die richtigen spieltheoretischen Anreize setzen müssen, um stabil zu laufen. Die wirtschaftlichen Interessen der verschiedenen Akteure müssen auf Protokollebene aufeinander abgestimmt sein. Blockchains wie Bitcoin oder Ethereum, die für alle zugänglich sind, haben über die Jahre gezeigt, dass sie ein solches Gleichgewicht gefunden haben und daher das Potenzial haben, eine Grundinfrastruktur für das «Internet des Geldes» zu liefern.

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